Zum Einen ist die Psychoanalyse eine Wissenschaft vom Seelenleben des Menschen, die vor über 100 Jahren von Sigmund Freud begründet wurde. Zum Anderen benannte er so die von ihm entwickelte Behandlungsform. Die Psychoanalyse dient in gleicher Weise dem Heilen wie dem Forschen. Einer von Freuds wichtigsten Erkenntnissen dabei, war die Macht des Unbewußten und der Triebe über den Menschen. In der Psychoanalyse geht es um die Erkundung unbewußter seelischer Vorgänge – Vorgänge, welche sich individuell als Wünsche, Träume und Tagträume, Fehlleistungen und Symptome manifestieren. Durch die psychoanalytische Forschung von Freud (und den PsychoanalytikerInnen in seiner Nachfolge) entwickelte sich ein hochkomplexes Theoriegebäude. So entstand nach und nach die psychoanalytische Lehre von der psychischen Entwicklung, der Triebtheorie und dem Ödipuskomplex als Ausdruck der infantilen Sexualität, von der Entstehung psychischer Strukturen wie Ich, Es und Überich, dem unbewußten Konflikt und den Abwehrmechanismen, und von der Rolle des Narzißmus zur Stabilisierung des Selbst sowie der Macht der inneren Objektbeziehungen.
Indem psychische Entwicklung als mehr oder minder geglücktes Zusammenspiel innerer und äußerer Faktoren verstanden wurde, entwickelte die Psychoanalyse von Beginn an auch eine Lehre von den Strukturen und Prozessen in Familie, Gruppe und Gesellschaft. Psychoanalyse ist also eine psychologische Theorie nicht nur von Entstehung und Auswirkungen psychischer Erkrankungen, sondern auch vom normalen Seelenleben. Genauso kann sie herangezogen werden, um die allgemeinen Kulturleistungen des Menschen in Gesellschaft, Kunst und Religion, Politik, Mythos, Ideologie, in Idealen und Werten, in Freizeit und Arbeitswelt auf ihre unbewußten Bedeutungen zu untersuchen. Als psychologische Theorie von den unbewußten Faktoren des Alltagslebens hat die Psychoanalyse das Geistesleben des 20. Jahrhunderts tief beeinflußt und hat das moderne Verständnis der Conditio Humana wesentlich geprägt. So werden in Psychologie, Psychiatrie und allen psychotherapeutischen Schulen Begriffe und traditionelle Konzepte der Psychoanalyse wie selbstverständlich benutzt, ohne sich über ihre Herkunft Rechenschaft abzulegen.